Forensik in Herner Hilfesystem eingegliedert
Akteure lokaler Einrichtungen berichten von ihren Erfahrungen
Neun Jahre nach ihrer Eröffnung hat sich die LWL-Maßregelvollzugsklinik Herne recht geräuschlos in das Herner Hilfesystems für psychisch Kranke eingegliedert - diesen Eindruck konnten gut 40 Teilnehmende Anfang Februar (5.2.) aus der Infoveranstaltung "Forensik als Chance?!“ mitnehmen. Der Paritätische Herne hatte in Kooperation mit der forensischen LWL-Klinik zu dem Erfahrungsaustausch mit diversen Akteuren des gemeindepsychiatrischen Systems eingeladen.
Zwischen 15 und 20 Patienten verlassen inzwischen pro Jahr die Mauern der Herner Forensik sagt der Therapeutische Direktor Prof. Dr. Boris Schiffer. Sie blieben jedoch zunächst noch Patienten der Klinik, erklärt Schiffer. „Vor einer Entlassung kommt erst eine längere Beurlaubung“, beschreibt er das Prozedere. „Während dieser Zeit können die Patienten jederzeit in die Klinik zurückgeholt werden, wenn es Schwierigkeiten geben sollte.“ Diese Regelung gebe auch den Einrichtungen Sicherheit, die die weitere Betreuung übernähmen, bestätigt Dr. Peter Nyhuis, Ärztlicher Direktor des Marien Hospitals Eickel.
Begegnung mit der Realität
Nyhuis berichtet, dass seine Klinik bereits einige forensische Patienten ohne Schwierigkeiten ambulant weiterbetreut habe. Sehr hilfreich sei dabei der engmaschige Austausch mit den Nachsorge-Beschäftigten der Forensik gewesen. Dies bestätigt auch Dorothea Schulte von Nachbarn e.V., die auf viele Jahre der Wiedereingliederung von forensischen Patienten in betreuten Wohneinrichtungen zurückblickt. Eine Sozialpädagogin aus dem Publikum ergänzt, dass das ambulant betreute Wohnen nach ihrer Erfahrung vor allem eine Begegnung mit der Realität sei: „Nach dem hochorganisierten Rahmen in der Forensik lernen die Leute bei uns, wie man mit seinem Geld bis zum Ende des Monats auskommt und dass es schon mal länger dauert, bis ein Handwerker für eine Reparatur kommt.“
„Wichtige Erfahrungen“, bestätigt Schiffer und betont noch einmal die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit gemeindepsychiatrischen Hilfesystemen. „Die Patienten erarbeiten sich erst innerhalb der Klinik und dann über die Ausgänge auch außerhalb der Klinik immer mehr Eigenständigkeit“, erklärt er. Mit einem komplett eigenständigen Leben seien die meisten dennoch überfordert. Eine betreute Wohnung oder ein Wohnheim sei häufig jedoch eine gute und sichere Lösung. „Entscheidend ist es, dem Patienten zu einer sinnvollen Tagesstrukturierung zu verhelfen“, betont Schiffer. Er sei sehr froh, dass dies in einigen Fällen durch eine Beschäftigung in den Behindertenwerkstätten der Wewole-Stiftung unterstützt werden konnte. In den vergangenen Jahren seien immer wieder einzelne forensische Patienten dort beschäftigt gewesen, berichtet der Vorstandvorsitzende Rochus Wellenbrinck, Schwierigkeiten habe es bisher nicht gegeben.
Psychisch Kranke nicht per se gefährlich
Einig sind sich alle Podiumsteilnehmer in dem Wunsch nach einer besseren Austattung der Allgemeinpsychiatrie als Vorbeugung von Rechtsbrüchen psychisch Kranker. „Diese Menschen sind nicht per se gefährlicher als der Durchschnittsbürger“, auf diese Feststellung legen alle wert. Wenn aber diejenigen, die es nötig hätten, nicht ausreichend lange und umfassend behandelt werden könnten, folge womöglich irgendwann eine Eskalation und die gerichtliche Einweisung in die Forensik. Dr. Florian Ternes vom Sozialpsychiatrischer Dienst der Stadt Herne richtet den Appell ans Publikum, sich zu melden, wenn es Auffälligkeiten oder Probleme im Umfeld gebe: „Wir gehen dem nach und klingeln an der Tür – und das auch immer wieder“, verspricht er.